Volkskrankheit Meetings

Wie man richtig ausmistet
Frauke Schmidt
Jan 8, 2025

Effektive Meetings sind leider etwas aus der Mode gekommen. Wir zeigen wie man Meetings ausmistet.

Miese Meetings

Vorab muss ich eines klar stellen. Ich bin ein großer Fan von Meetings und sehe auch häufig, dass in Projekten der Austausch zu kurz kommt und sinnvolle Vernetzungen auf der Strecke bleiben. Und doch habe auch ich schon so häufig wertvolle Lebenszeit in ermüdenden oder nervtötenden Meetings verbracht.  Mein absolutes Horrorformat ist schon einige Jahre her. Im Rahmen eines Projektes fand ein täglicher Jour Fixe statt. Dieser startete mit einer Runde, in der jeder sagen konnte, was er gerade so macht. Das nahm Kollege Frank etwas sehr wörtlich. Keine weiteren Nachfragen, danke. Spätestens bei dem Kollegen oder der Kollegin an 7. Stelle kam es dann zu einer Diskussion zu einem Thema, mit dem ich gar nichts zu tun hatte. Die Runde ging nicht weiter. Während des mindestens 1-stündigen Meetings, das sich wie 3-stündig anfühlte, saßen alle ca. 20 Projektmanager - damals noch in Präsenz - zusammen und vergeudeten wertvolle Zeit. Der Motivations-oder Teambuildingfaktor war für mich persönlich auch im Negativbereich. Dass das Meeting verlässlich jeden Tag mit mindestens 10 Minuten Verspätung begann, weil der Projektleiter sich verspätete, muss ich wahrscheinlich gar nicht erst erwähnen.

Modeerscheinung Back-to-Back Meetings

Die virtuelle Zusammenarbeit hat uns ganz neue Möglichkeiten gegeben.  In vielen Organisationen wurde sich immer schon gerne und ausgiebig besprochen. Das ist auch erstmal nichts Schlechtes. Austausch ist wichtig und mit Kommunikation steht und fällt die Kultur eines Unternehmens. Doch was ist, wenn man plötzlich nur noch von virtuellem Meeting zu virtuellem Meeting springt? Der Kalender ist vollgeblockt und wenn die sonstige Arbeit nicht während des Meetings erledigt wird, dann bricht das ganze System zusammen. Erst im kleinen eigenen Team, aber wahrscheinlich auch bald in der ganzen Organisation.

Million Dollar Meetings

Mein Kollege ChatGPT glaubt, dass es sich bei einem Million Dollar Meeting um ein ganz besonders wichtiges und hoch dotiertes Meeting von großer Bedeutung handelt. Damit irrt er und zeigt mal wieder, dass er nicht gelernt hat, Wissenslücken zuzugeben. (Dazu vielleicht mal in einem anderen Blog).

Viel mehr beschreiben Million Dollar Meetings nämlich die Ressourcenverschwendung in Unternehmen, wenn ein (zu) großer Kreis an gutbezahlten Kompetenzträgern und Kompetenzträgerinnen permanent sinnlos und zulange in Meetings sitzt und die Arbeit, für die sie eigentlich eingestellt sind, nicht oder nur teilweise erledigen können. Das kostet Zeit, Geld und auch die Nerven – also die Gesundheit – der Mitarbeitenden.

Meetings ausmisten

Es ist also Zeit Meetings auszumisten. Nun hegt wahrscheinlich jeder, den Wunsch, dass es das Unternehmen in den Griff kriegt. Das Problem ist erkannt, das Thema steht bereits auf der Agenda, bald muss sich also was ändern. Wer sich diesem Wunschdenken hingibt, braucht wahrscheinlich einen langen Atem. Schneller geht es selbst mit dem Meeting ausmisten, anzufangen. Am besten verändert man erstmal den eigenen Kalender und arbeitet an seiner eigenen individuellen Meetingkultur. Eventuell inspiriert das Kollegen und Kolleginnen.

Analyse der Meetings

Bevor wir uns Hals über Kopf in die Veränderung stürzen, schauen wir uns also am besten erst einmal die aktuellen Meetings genauer an. Welche sind wirklich notwendig und welche könnte man weglassen? Manchmal schleichen sich Meetings ein, die schon längst überflüssig sind. Dafür sollte man eine gründliche Bestandsaufnahme durchführen und überlegen, welche Themen sich auch in anderen Formaten (E-Mail, Chat, etc.) besprechen lassen. Ein starkes Veränderungsmanagement oder zumindest das generelle Bewusstsein dafür, ist übrigens immer ein guter Anfang. Gute Impulse dazu finden sich in der Neuen Narrative Ausgabe zum Thema Fehlerkultur.

Zum Ausmisten sollte man sich an folgenden Fragen orientieren:

-         Wieviel Zeit kostet mich das Meeting pro Woche? (Monatliche Meetings einfach durch 4 teilen)

-         Wieviel Energie kostet oder gibt mir diesesMeeting? (Auf einer Skala von -10 bis +10)

-         Welchen Nutzen hat das Meeting für mich?

-         Welchen Nutzen hat meine Anwesenheit für andereoder die Organisation?

-         Welchen Nutzen hat das Meeting generell?

Aus den jeweiligen Antworten kann man dann erste Veränderungspotenziale ableiten. Hierbei helfen wiederum folgende Fragen:

-         Was würde das Meeting für mich besser machen?

-         Was genau raubt mir am Meeting Energie? Was gibt mir Energie?

-         Ist meine Anwesenheit unbedingt erforderlich?

-         Stimmt der Teilnehmerkreis?

-         Wie können wir das Meeting oder Teile des Meetings verändern?

Be the Change

Und nun kommt der schwierige Teil. Jetzt sollte man die richtigen Schlüsse ziehen und das Rückgrat haben, diese auch durchzusetzen. Vielleicht kann das Meeting gekürzt oder der Teilnehmerkreis verändert werden? Können bestimmte Themen ausgelagert werden? Aber wie sage ich das meinen Kolleg:innen und Vorgesetzen?

Cancel Culture mit Etikette

Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht, wenn man erst einmal eine Zeit für sich die wiederkehrenden bzw. grundsätzlich Zeit raubenden Formate reflektiert. Überzeugende Argumente, diese in Zukunft zu verändern oder abzusagen, finden sich dabei von ganz allein. Nun kommt es auf die Art und Weise des Absagens an.

Es gehört zu einer guten Meetingetikette, Meetings an denen man nicht teilnehmen kann oder möchte, mit einer Antwort abzusagen. Durch die Reflexion erhält man gute Argumente,warum man für sich ein Meeting absagt. Diese Gründe sollten in der Absage mitgeteilt werden. Der Ton macht hier natürlich die Musik!

Uns ist es auch wichtig, weiterhin Teamplayer zubleiben, also zum Beispiel Unterstützung anzubieten, wo es sinnvoll ist. Das kann auch bedeuten, dass wir an einem Meetingformat partiell teilnehmen, wenn es um ein bestimmtes Thema geht.

Wahrscheinlich wird sich der Kalender nun nicht von einem auf den anderen Tag leeren, aber nach und nach gewinnt man Zeit und Motivation, wenn man vornehmlich den richtigen und wichtigen Meetings beiwohnt.

Viel Erfolg!